Von Julia Veil, 25. Januar 2016

Mistwetter und Kreuzverschlag

Arbeitspferd bei der Arbeit im SchmuddelwetterDieses Jahr ist der Winter wieder extrem. Es ist gerade mal kalt genug, dass der Regen so richtig weh tut. Die Offenställe ertrinken im Matsch und manch ein Pferd lässt ganz schön die Ohren hängen.

Der durchschnittliche Pferdebesitzer hat mindestens vier Wetter-Apps und keine davon ist in der Lage, einem zu sagen, welche Decke man nun dem geliebten Pferd heute auflegen soll. Erst regnet es ewig, dann kommt für ein paar Tage die große Kältewelle und die Klarheit: „Heute ganz sicher die ganz warme Decke!“.

Über Nacht kommt dann der große Föhn und es regnet bei +5°C. Und egal für welche Decke man sich entscheidet- man macht es immer falsch. Die Folge sind Erkältungen und Muskelprobleme. Und wieder gilt es eine Entscheidung zu fällen: Hat der Kollege „nur ein bisschen Rücken“ und wir packen eine Wärmflasche drauf oder liegt eine ernste Erkrankung wie z.B. Kreuzverschlag vor und wir müssen einen Tierarzt holen.

Es wird häufig diskutiert, ab wann man nun von Kreuzverschlag spricht, Lumbago oder nur von verkrampfter Muskulatur oder Hexenschuss.

Diese Verwirrung beruht möglicher Weise auf der Tatsache, dass die Symptome von sehr mild bis hin zu extrem stark ausfallen können. Außerdem sind die Begrifflichkeiten oft nicht ganz klar, es gilt folgende Formel:

 

Kreuzverschlag = Lumbago = Hexenschuss = bewegungsbedingte Myopathie = tying up

 

Bei der sehr milden Variante werden die Pferde bei der Arbeit nach wenigen Minuten unruhig, haben einen steifen Gang und krümmen gern den Rücken auf.

Fällt die Krankheit sehr schwer aus, bleiben die Pferde stehen, können gar nicht mehr gehen, sind steif, extrem verkrampft, schwitzen stark und werden sehr ängstlich. Auch der Puls kann stark erhöht sein. Sie haben durchaus auch Koliksymptome und der Urin verfärbt sich dunkelbraun. Die Situation ist sehr ernst.

Dazwischen gibt es eine Million Abstufungen.

Es wird also deutlich, dass man die Krankheit sowohl leicht mit Muskelverspannungen als auch mit Kolik verwechseln kann.

Kreuzverschlag wird durchaus durch kaltes Schmuddelwetter gefördert, auch wenn es sich eigentlich um eine Muskelerkrankung handelt, die häufig nach einer Trainingspause auftritt, während der das Pferd weiter kohlenhydratreich gefüttert wurde.
Früher kam die Krankheit häufig bei Arbeitspferden vor, die nach Feiertagen wieder an die Arbeit mussten. Darum wurde der Kreuzverschlag auch „Feiertagskrankheit“ genannt.

Aber auch diese Situation haben wir durchaus häufig im Winter: Drei Tage lang ein Schmuddelwetter, bei dem man weder einen Hund, noch ein Pferd, noch sich selbst auf die Straße jagen würde und dann plötzlich für ein paar Stunden wunderschöner Sonnenschein und die Stallgemeinschaft unternimmt endlich mal wieder spontan einen herrlichen Ausritt.

Treten nach einer vergleichbaren Situation Probleme auf, darf man hellhörig werden. Im Zweifel ist ein Tierarzt zu rufen. Nein, man ist nicht paranoid oder übervorsichtig- das ist total in Ordnung. Denn bei einem Kreuzverschlag braucht das Pferd schnellstmöglich ärztliche Versorgung.

Was ist Kreuzverschlag eigentlich?

Die Ursache dieser Erkrankung ist wissenschaftlich nicht abgeklärt, es gibt verschiedene Theorien darüber. Aber man ist sich weitestgehend einig, dass Kohlenhydrate und Lactat (=Milchsäure) bei der Entstehung eine Hauptrolle spielen:

Während einer Trainingspause lagern Pferde bei kohlenhydratreicher Fütterung größere Mengen Glykogen wie einen direkten Vorratsspeicher in der Muskulatur ein. Glykogen ist ein Kohlenhydrat.
Wird das Pferd dann wieder ins Training genommen, wird dieses eingelagerte Glykogen sofort anaerob verstoffwechselt. Bei einem anaeroben Stoffwechselprozess entsteht Milchsäure. Es kommt zu einer Übersäuerung des Muskelgewebes, die zu Verkrampfungen führt. Durch diese Verkrampfung werden wiederum die Gefäße in und um die betroffene Muskulatur eingeengt.

Dadurch entsteht ein Ödem, also Flüssigkeitseinlagerungen im Muskel. Durch dieses Ödem steigt wiederum der Druck im Gewebe. Dabei können Muskelzellen stark beschädigt bzw. sogar ganz zerstört werden.

Physiotherapeutische Unterstützung bei Kreuzverschlag

Aufgrund der Gefährlichkeit der Krankheit ist bei Verdacht auf Kreuzverschlag auf jeden Fall ein Tierarzt hinzu zu ziehen, der den Schweregrad der Erkrankung abschätzen und eine medikamentöse Behandlung einleiten muss. Möglicherweise braucht das Pferd Infusionen, Schmerzmittel oder sogar Beruhigungsmittel.

Es gibt allerdings einige physiotherapeutische Maßnahmen, die die Genesung des Patienten erheblich beschleunigen und die Heilungsprognose einiges verbessern können. Ein beispielhafter Therapieplan könnte wie folgt aussehen:

1.) Elektromagnetfeldtherapie (EMT)

Das Elektromagnetfeld wirkt sehr entspannend auf die Muskulatur und fördert den Zellstoffwechsel. Es eignet sich wunderbar, um das Gewebe auf weitere Therapieformen vorzubereiten, sodass diese besser wirken können. Dies gilt in besonderem Maße bei Muskelproblemen.

2.) Manuelle Lymphdrainage (MLD)

In der Muskulatur befinden sich viele initiale Lymphgefäße. Das sind diejenigen Lymphgefäße, die blind im Gewebe beginnen und somit den Anfang des gesamten Lymphsystems darstellen. Sie sind mit kleinen „Löchern“ am Ende und festigenden Fasern an der Gefäßwand ausgestattet. Wenn der Druck z.B. durch ein Ödem im Gewebe steigt, werden diese Gefäße weit gestellt und die kleinen Löcher öffnen sich. Dadurch entsteht ein Sog. Die Ödemflüssigkeit wird aufgesaugt und über das Lymphsystem abtransportiert.

Durch die manuelle Lymphdrainage wird das Lymphsystem aktiviert und der Abtransport der Milchsäure beschleunigt. Durch den beschleunigten Abbau des Ödems und den Abtransport der Milchsäure ändert sich das Milieu im Muskel- die Übersäuerung lässt nach und der Muskel kann wieder entspannen.

3.) Blutegeltherapie

Blutegel wirken stark schmerzlindernd und fördern ebenfalls den Lymphstrom. Außerdem wird der Zellstoffwechsel angeregt, was die Regeneration des Muskelgewebes fördert. Darum empfiehlt es sich in besonders schweren Fällen, zusätzlich mit Blutegeln zu arbeiten.