Von Julia Veil, 14. Dezember 2015

Manuelle Lymphdrainage bei Sehnenproblemen

Tiefe BeugesehneSehnenprobleme- der Schrecken eines jeden Pferdemenschen, denn sie gehören zu den häufigsten Gründen für Lahmheiten. Im ersten Moment würde man nicht vermuten, dass ausgerechnet eine manuelle Lymphdrainage (MLD) hilfreich sein könnte.

In diesem Artikel möchte ich im ersten Teil zunächst anatomisch in einfachen Worten erklären, was eine Sehne überhaupt ist und wie es zu Schädigungen kommt. Im zweiten Teil geht es dann darum, wieso die manuelle Lymphdrainage den Heilungsprozess so erfolgreich beschleunigt und die verletzte Sehne nachhaltig stärkt.

Was ist eigentlich eine Sehne?

Muskeln haben Bäuche. Kontrahiert ein Muskelbauch verkürzt er sich und beugt oder streckt. ein Gelenk, weil er mit dem einen Ende an dem einen, mit dem anderen an dem anderen Knochen fest klebt. Dazwischen liegt das Gelenk.

Den ersten Klebepunkt nennt man Ursprung, den zweiten Klebepunkt Ansatz. Am Ursprung entspringt zunächst eine Sehne, die dann in Muskelfasergewebe übergeht. Vor dem Ansatz geht der Muskel wieder in Sehnengewebe über.

Sehnen sind also die Verbindung zwischen Muskeln und Knochen.

Die tiefe Beugesehne ist beispielsweise die Endsehne des tiefen Zehenbeugers (lat.: M. flexor digitalis profundus). Dieser Muskel hat gleich drei Ursprünge: Der Muskel klebt mit der ersten Ursprungssehne am Oberarm, mit der zweiten am Unterarm (Radius) und mit der Dritten am Ellbogenhöcker fest. Unterhalb des Ellbogens geht der Muskelbauch dann schon in Sehnengewebe über. Die Ansatzsehne zieht dann das ganze Bein entlang bis zum Hufbein herunter.

Auf dem Bild ist dieser Muskel zur Veranschaulichung sehr stark vereinfacht dargestellt.

Wenn der Muskelbauch nun kontrahiert zieht er die Tiefe Beugesehne nach oben. Sie zieht dann von unten am Hufbein und beugt so das ganze Fesselgelenk.

Wenn das Pferd in der Bewegung mit dem Vorderhuf auf den Boden aufsetzt, spannt es gleichzeitig den tiefen Zehenbeuger an, die Sehne zieht an und presst dadurch den Huf wie einen Saugnapf auf den Boden. Diese Sehne ist somit auch die wichtigste Stabilisierung des Fesselgelenkes.

Wenn wir uns nun ein Pferd beim Aufsetzen nach einem Sprung vorstellen wird deutlich, welchen Kräften die Sehnen ausgesetzt sind.

Wie können Sehnen das überhaupt aushalten?

Die Antwort liegt in der Anatomie: Sehnen bestehen aus kleinen Kollagenfasern, die sich zu Faserbündeln zusammentun und als Ganzes am Ende die Sehne bilden (Kollagen ist ein Eiweiß). Die Fasern sind parallel zueinander ausgerichtet. Daraus ergibt sich als Vorteil die Stabilität und Reißfestigkeit des Gewebes.

Als Nachteil ist jedoch zu erwähnen, dass es an Elastizität fehlt. Die Sehne ist kaum dehnbar. Das soll sie ja auch nicht sein, denn sonst würden unsere Pferde ja alle durchtrittig gehen. Allerdings kommt es durch diese fehlende Elastizität auch gerne zu Verletzungen. Bei Überlastung reißen zunächst einzelne Fasern, dann Faserbündel bis es zu einer ernsten Verletzung kommt.

Die Stabilität der Sehne ist auch nur gegeben, wenn sie physiologisch richtig belastet wird- bei Fehltritten wirken die Kräfte schräg auf die Sehne ein. Es kommt dabei zu Faserrissen.

Da diese Fasern in Längsrichtung verlaufen, ist die Sehne auch nicht stabil, wenn z.B. ein Tritt oder ein Schlag quer von der Seite auf sie nieder prasselt.

Wenn genügend Fasern in der Sehne reißen oder anreißen, kommt es i.d.R. recht schnell zu einer Sehnenentzündung (Tendinitis) mit Schwellung und Hitze.  Bei Entzündungen entstehen immer auch toxische Stoffwechselprodukte, die das Gewebe weiter schädigen. Sehnenverletzungen heilen niemals rückstandslos aus. Es bildet sich immer ein Narbengewebe, das nicht so stabil ist wie die ursprüngliche Sehne. Ernste Sehnenschädigungen benötigen somit eine sehr sehr lange Rekonvaleszenz.

Wieso MLD bei Sehnenschäden so erfolgreich ist:

Die MLD ist eine hochwirksame Methode, um Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe auf ihren natürlichen Weg zu bringen (mehr dazu hier).

Sehnen sind zwar nicht gut durchblutet, aber sie enthalten extrem viele Lymphgefäße. Hinzu kommt, dass sie beim Pferd sehr weit an der Oberfläche direkt unter der Haut liegen, ohne dass viel Fettgewebe dazwischen ist. Die Lymphgriffe wirken also direkt auf die Sehne ein.

Die Lymphgefäße der Sehne haben zudem eine direkte Verbindung zu den tief liegenden Lymphgefäßen an die wir mit Massagegriffen nicht heran kommen. Wir haben also im Bereich der Sehnen von außen einen fast direkten Zugriff auf das tiefe System.

Die Therapie hat somit gleich mehrere sehr positive Effekte:

  1. Bei einer Entzündung entstehen stets vielfältige toxische Stoffwechselprodukte, die das Sehnengewebe weiter schädigen. Durch die Lymphdrainage werden diese sehr schnell abtransportiert und die Fasern des Sehnengewebes werden umgehend entlastet. Dadurch wird der Schaden minimiert und der Heilungsprozess beschleunigt.
  2. Durch die gleichmäßigen nach oben gerichteten Massagegriffe richten sich die Kollagenfasern des sich bildenden Narbengewebes gleichmäßiger aus.
    Das bedeutet, dass das Narbengewebe, das bei jeder Sehnenverletzung zurück bleibt  um einiges hochwertiger und stabiler wird, als ohne eine Behandlung.

Die Sehne heilt also nachhaltiger und schneller. Dies ist sogar häufig im Ultraschall sichtbar. Allerdings muss die Behandlung schnellstmöglich vorgenommen werden.

Natürlich wird die Methode zusätzlich zur tierärztlichen Behandlung angewendet. Lediglich der übliche Stützverband sollte durch einen lymphologischen Kompressionsverband ersetzt werden. Dieser spezielle Verband wirkt auch nach der Behandlung weiter auf diese Weise positiv auf die Sehnen ein.